2008, Galerie im Heppächer

Ausstellung „Ursula Laquay-IHM. Verplante Lebensräume. Objekte – Installationen – Zeichnungen“ 

in der Galerie im Heppächer in Esslingen am Neckar vom 19. November bis 14. Dezember 2008. Aus Anlass  der Verleihung des Kunstpreises Sabine Hoffmann an Ursula Laquay-Ihm.

 

Ausstellungsprospekt


Sabine Leutheußer-Holz: Ursula Laquay-IHM

(aus dem Ausstellungsprospekt)

Es geht uns nicht so, wie den Bewohnern Ottavias, eines jener Stadtgebilde, die Italo Calvino in seinem Roman „Die unsichtbaren Städte“ beschreibt. Ottavia liegt über einem Abgrund zwischen zwei abschüssigen Berghängen. Die Grundlage der Stadt bildet ein Netz, das als Passage und Halt dient. „Über dem Abgrund schwebend, ist das Leben der Einwohner Ottavias weniger un-sicher als in anderen Städten. Sie wissen, dass ihr Netz nicht mehr als ein Bestimmtes trägt.“ Das „Bestimmte“ als das Maß des Möglichen, des Verträglichen. Wie oft verlieren wir es aus den Augen.

 

Das Interesse der Künstlerin Ursula Laquay-IHM gilt den Lebensräumen, die der Mensch gestaltet – und, das interessiert sie fast noch mehr, die er verunstaltet. Der Flächenverbrauch, den sich die Industriegesellschaft leistet, die Zerstörung von Naturressourcen, der verschwenderische Umgang mit Rohstoffen, die Wegwerfmentalität – dies alles läßt die Künstlerin mit Sorge in die Zukunft blicken.

 

Dabei wäre es zu kurz gegriffen, sie auf grüne Positionen oder einen falsch verstandenen Denkmalschutz festzulegen. Auch dürfte man ihr nie unterstellen, technikfeindlich zu sein. Viel zu sehr fasziniert sie die technische Welt – durch die Ästhetik ihrer vielfältigen Erscheinungsweisen und nicht zuletzt durch die Vergleichbarkeit ihrer Bauformen mit denen der Natur. Mit großer Kreativität bedient sie sich in ihren Arbeiten vorgefertigter Formen und verwandelt sie vom Funktionsträger zum Gestaltungsmittel ihrer künstlerischen Aussage. Es entstehen Bild-Collagen: das Fundstück wird zur Inspirationsquelle für die Malerin, das Bild zum Archiv technischer Gegenstände, die ausgedient haben.

 

Der Faszination, die Technik auf die Künstlerin ausübt, steht gegenüber die Kenntnis von deren Zerstörungskraft und – in einer weiteren Ebene – das Unbehagen davor, ein Leben ohne technische Hilfsmittel führen zu müssen. In diesem Spannungsfeld von ästhetischem Genuss, dem Wissen um die Bedrohung und der gleichzeitigen Angst vor dem Verlust dieser Bedrohung lebt Ursula Laquay. Um diese Spannung aushalten zu können, arbeitet sie.

 

Stadt unterm Hangar: Leipzig mit Filter, 2003.
Stadt unterm Hangar: Leipzig mit Filter, 2003.

Jedes Werk wird begonnen in der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu erhalten, wie der Teufelskreis durchbrochen werden kann, der entsteht, wenn der Mensch die Technik zur Gestaltung seines Lebens braucht, sie aber zur Verunstaltung seines Lebensraumes ebenso einsetzt. Wie ist das Überleben der Natur und damit des menschlichen Lebensraumes unter den gegebenen Umständen zu bewerkstelligen? Nur, so die Künstlerin, durch unterstützende Eingriffe des Menschen selbst. Er muss Schutzzonen schaffen, muss dafür sorgen, dass Mechanismen, die die Zukunft von Land und Leuten sichern sollen, ihrerseits geschützt werden, dass Raum-Stationen entstehen, in denen Architektur als Ergebnis von Kunst und Technik überdauern kann. Die Künstlerin thematisiert diese Befürchtungen in der Werkgruppe „Städte unterm Hangar“. Über Luftbildern von ausgedehnten Stadtlandschaften wölben sich gläserne Dächer, unter denen wiederum Glashauben ein technoides Gebilde schützen, das exemplarisch für besonders gefährdete Objekte steht.

Jedes Werk wird begonnen in der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu erhalten, wie der Teufelskreis durchbrochen werden kann, der entsteht, wenn der Mensch die Technik zur Gestaltung seines Lebens braucht, sie aber zur Verunstaltung seines Lebensraumes ebenso einsetzt. Wie ist das Überleben der Natur und damit des menschlichen Lebensraumes unter den gegebenen Umständen zu bewerkstelligen? Nur, so die Künstlerin, durch unterstützende Eingriffe des Menschen selbst. Er muss Schutzzonen schaffen, muss dafür sorgen, dass Mechanismen, die die Zukunft von Land und Leuten sichern sollen, ihrerseits geschützt werden, dass Raum-Stationen entstehen, in denen Architektur als Ergebnis von Kunst und Technik überdauern kann. Die Künstlerin thematisiert diese Befürchtungen in der Werkgruppe „Städte unterm Hangar“. Über Luftbildern von ausgedehnten Stadtlandschaften wölben sich gläserne Dächer, unter denen wiederum Glashauben ein technoides Gebilde schützen, das exemplarisch für besonders gefährdete Objekte steht.
Laborhaus, geschützt II, 2001.
Laborhaus, geschützt II, 2001.

Zu ihnen gehört eine Gruppe phantasievoll errichteter Architekturen, die Ursula Laquay in einer anderen Werkgruppe unter Acrylglasstürzen birgt. Diese „Geschützten Häuser“, auf Sockeln postiert, werden – auf solche Weise hervorgehoben – wenn nicht zu Mahn-, so doch zu Erinnerungszeichen mit Denkmalcharakter.

 

Geht es hier noch um präventive Maßnahmen, so signalisiert eine andere Gruppe von Objektkästen konkrete Hilfsbedürftigkeit. Ohne den Eingriff von außen, symbolisiert durch Lebenskraft zuführende Infusionsschläuche, kann die Natur hier nicht mehr überleben. Der Mensch hat es zu weit getrieben, nun muss er Rettungssysteme erfinden.

 

Barcelona II, Olympiade 1992.
Barcelona II, Olympiade 1992.

Mit diesen chiffrierten Visionen sind wir als Betrachter konfrontiert. Sie zu entschlüsseln, erfordert Ausdauer. Denn bei allem Ernst der Lage kleidet die Künstlerin ihre Botschaft in abwechslungsreiche und überaus ästhetische Seherlebnisse. Wunderbare Beispiele hierfür sind ihre „Stadt-Zeichnungen“. Ausgangspunkt für diese Gruppe großformatiger, farbiger Arbeiten sind Stadtpläne. Ursula Laquay studiert sie mit der Fragestellung: Wieviel Land hat das Land – wofür? Es schafft Repräsentationszonen und Industriezonen; geht es aber auch auf das Bedürfnis der Menschen nach Überlebenszonen, nach Illusionsräumen ein? Angezogen von der optischen Vielfalt, zu der sich die Informationen eines solchen Planes verdichten, versucht die Künstlerin, die Ordnungssysteme hinter den Strukturen zu erkennen, Modelle des Zusammenlebens zu finden. Um besser begreifen zu können, zeichnet sie die Pläne nach. Intuitiv erlebt sie so die zugrunde liegenden Muster. Sie entwickelt ein Gespür für städtebauliche Situationen, für komplizierte Verhältnisse, geniale Lösungen und ausgereizte Möglichkeiten. Diese Zeichnungen sind das Ergebnis strenger Abstraktionsprozesse.

 

Die Frage, wie kann der Mensch sich und seine Lebensräume erhalten, gestalten und zukunftsfähig weiterentwickeln, dominiert das Werk von Ursula Laquay-IHM. Die an der Staatlichen Kunstakademie in Stuttgart während der 50er Jahre in der strengen „Form folgt Funktion-Devise“ des Bauhauses ausgebildete Künstlerin hat im Laufe ihres Werdeganges dieses Thema nie aus dem Blick verloren. Es ist der Antrieb für ihre Arbeit. Die Konsequenz, mit der sie nach Antworten sucht, ist Ausdruck einer Betroffenheit, die im Laufe der Zeit nichts an Intensität und Aktualität verloren hat. Der Vielschichtigkeit des Themas entspricht die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksmittel.